Vorläufiger Höhepunkt der zunehmend fragwürdigen Aktivitäten des Berliner Senats im Immobilienbereich ist der Kauf der Kosmos -Siedlung in Altglienicke am südlichen Stadtrand von Berlin. Anfang der neunziger Jahre wurden die 17 Gebäude mit 1.821 Wohnungen und 22 Gewerbeeinheiten von einem Münchener Investor gekauft, man munkelt für damals 30 Mio. Mark. Für den gerade erfolgten Rückkauf hat die landeseigene Gesellschaft Stadt und Land 250 Mio. Euro bezahlt, ca. 2000 Euro pro m². Das Land Berlin hat den Kauf mit einem Zuschuss von 36,5 Mio. Euro aus einem Ankaufsfonds bezuschusst.

Als Grund für den Ankauf werden unverhältnismäßig hohe Mieterhöhungen als direkte Folge der energetischen Sanierung ins Spiel gebracht. Da diese nicht fachgerecht ausgeführt wurde, sind die prognostizierten Energieeinsparungen nicht eingetreten.

Für die 250 Mio. Euro könnte man mindestens 1000 neue Wohnungen bauen. Aber das war eben nur der vorläufige Höhepunkt.

Vorkaufsrecht

Im Berliner Koalitionsvertrag haben sich SPD, Linke und Grüne verpflichtet, dass das Land Berlin verstärkt vom Vorkaufsrecht Gebrauch machen soll, bevor ein Investor einsteigt. Wenn sich die Eigentümer nicht verpflichten, auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu verzichten oder keine (Luxus-) Sanierungen durchzuführen, kann der Stadtbezirk in den Kaufvertrag eintreten. Bis heute haben die Berliner Bezirke in 39 Fällen davon Gebrauch gemacht. Der Gesamtpreis beträgt 213 Mio. Euro, im Schnitt also 5,4 Mio. Euro. Die meisten Häuser befinden sich in Friedrichshain-Kreuzberg, auf den Plätzen folgen Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Mitte.

Auffällig sind 2 besonders große Käufe. Auf Betreiben des Bezirks hat ein landeseigenes Wohnungsunternehmen für 56,5 Millionen Euro eine große Wohnanlage mitten in Kreuzberg gekauft. Ein anderer Mega-Deal war der Ankauf von 265 Wohnungen in Mitte und Neukölln des sogenannten Centurio-Portfolios. Eigentlich hatte die Industria den Verkauf an den dänischen Pensionsfonds PFA geplant. Zunehmend geht es dabei nicht mehr nur um die Umwandlung in Eigentumswohnungen, sondern einfach nur um die Verhinderung von Mieterhöhungen.

Selbst der SPD-Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick Oliver Igel  sagt dazu: “Das Vorkaufsrecht wahrzunehmen ist auf jeden Fall teuer und schafft keine neuen Wohnungen, sondern bietet lediglich Schutz für Bestandsmieter. Eine Wohnungsbaugesellschaft muss sich schon gut überlegen, ob Sie nicht für das gleiche Geld lieber Neubau finanziert.“

Potenzielle Käufer können diese Praxis nur umgehen, wenn Sie eine sogenannte Abwendungsvereinbarung unterschreiben. Diese  sind allerdings rechtlich umstritten. Es ist aber nicht bekannt, dass sich ein Eigentümer bisher in seinem Sinne durchgesetzt hat. Der Genehmigungsvorbehalt bei Umwandlungen trat in Berlin 2015 in Kraft, gilt zunächst bis 2020, Verlängerungen sind zulässig.

Gewerbeflächen im Visier

Es gibt aber noch andere Gründe, vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen.
Mindestens 4 Gewerbeobjekte wurden unter anderem erworben, um dort Behörden unterzubringen. Prominentes Beispiel ist  der Umgang mit dem Finanzdienstleister Hypoport AG mit ca. 300 Mitarbeitern in Berlin und einem Börsenwert von mehr als einer Milliarde Euro. Eigentlich wollte Hypoport das Objekt in Berlin-Mitte selbst erwerben. Dieses Haus möchte jetzt aber das Land Berlin haben und den Mietvertrag mit Hypoport nicht verlängern.  Ob der Unternehmenssitz jetzt nach Lübeck verlagert oder ein Ausweichquartier in Berlin bezogen wird, ist noch nicht endgültig entschieden. Besonders pikant ist, dass der Senat sein Vorkaufsrecht erst am letztmöglichen Tag genutzt hat. Hätte er sich früher entschieden, wäre die Sache deutlich preisgünstiger geworden.
Auch beim Spree-Forum in Moabit hat der Senat von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht. Der Verkaufspreis betrug 42 Mio. Euro. Das Startup Wattx musste sich neue Büroflächen mieten.  Auch in einem gerade erworbenen Gebäude in der Wittestraße in Reinickendorf sollen Behörden untergebracht werden.

Für die Berliner CDU  ist das  „eine völlig inakzeptable Wirtschaftspolitik. Unternehmen werden so vom Senat verdrängt.“

Über weitere Objekte wird bereits verhandelt. Dazu gehören zum Beispiel ein als Veranstaltungshalle genutztes Pumpwerk an der Gotzkowskybrücke  in Moabit und das historische Ballhaus Pankow, außerdem diverse Infrastrukturgrundstücke und Gewerbeflächen.

Dabei war die Situation mal eine ganz andere. In den Jahren nach der Wende verkaufte der Senat fast 200.000 Wohnungen der städtischen Gesellschaften. Von 482.000 Wohnungen waren 2005 nur noch 273.000 übrig. 2,5 Milliarden Euro wurden damit erzielt, um Haushaltslöcher zu stopfen. Ein besonders großes Geschäft war der Verkauf der GSW mit 65.000 Wohnungen an die Deutsche Wohnen AG.  Der Umfang des Aktientauschs entsprach einem Kaufpreis von 1,7 Milliarden Euro. Nach der Finanzkrise begann dann ein Umdenken. Heute wird der damalige Verkauf der Wohnungen als Fehler betrachtet und mindestens die GSW soll zurückgekauft werden.

Ankauf genügt nicht mehr

Verschiedenen Leuten - auch an den Schalthebeln der Macht - genügen die Rückkäufe aber nicht.   Viel besser wäre es doch, die großen Gesellschaften komplett zu enteignen. Die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. will private Wohnungsunternehmen, die mehr als 3000 Wohnungen in Berlin besitzen enteignen. Ab April wollen die Initiatoren Unterschriften dafür sammeln. Ursprünglich ging es nur um die Deutsche Wohnen AG, inzwischen um alle Unternehmen in der o.g. Größenordnung. Ausgenommen wären landeseigene Unternehmen und Genossenschaften. Mittels des komplizierten Vorkaufsrechts hat Berlin erst kürzlich der Deutsche Wohnen AG zahlreiche Wohnungen in 2 Blocks an der Karl-Marx-Allee weggekauft. Zwar ist jetzt noch von Enteignung gegen Entschädigung die Rede, aber die Entschädigung muss ja nicht zum Verkehrswert erfolgen. Ob so oder so, das kostet viel Geld - Geld des Steuerzahlers. Es entsteht dadurch keine einzige neue Wohnung und ob die neuen Eigentümer mit den aktuellen Mieten wirtschaftlich arbeiten können, ist nicht sicher. Ebenso ist nicht sicher, ob dieses Vorgehen durch das Grundgesetz abgedeckt ist.
Allerdings hat sich der Regierende Bürgermeister gerade nach langem Zaudern gegen das Volksbegehren positioniert. Bleibt zu hoffen, dass er dabei bleibt und sich durchsetzt.

Auch der Bund der Steuerzahler hat zu dieser Praxis eindeutig Stellung bezogen:  „Die landeseigenen Wohnungsgesellschaften zahlen Spekulantenpreise“, sagte Verbandschef Alexander Kraus. Die zusätzliche Nachfrage treibe das Preisniveau am Immobilienmarkt weiter in die Höhe, ohne dass der Senat eine Antwort auf die wahren Ursachen der Misere liefere. So kann eine Verbesserung der Versorgung nicht erreicht werden.

Was tun?

Aber was sind die wahren Ursachen und wie kann eine Verbesserung erreicht werden? Fakt ist: Die wachsende Stadt braucht mehr Neubauwohnungen, auch und insbesondere bezahlbare Mietwohnungen. Fakt ist aber auch: Die Neubauzahlen bleiben hinter dem Bedarf zurück, selbstgesteckte Ziele werden nicht erreicht. Maren Kern, Vorstand des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen formuliert die Aufgaben klar und deutlich: „Aller gegenteiligen Bekundungen zum Trotz wird den Genossenschaften kein bezahlbares Bauland mehr für Neubau gegeben, wird über eine kostentreibende Novellierung der Berliner Bauordnung diskutiert, werden die Ausschreibungsverfahren für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften nicht den Marktrealitäten angepasst, werden die schwerfälligen Berliner Verwaltungsstrukturen nicht reformiert. Die Probleme liegen seit Jahren auf dem Tisch.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.